Muldentalkliniken: Aufsichtsrat Jesse
wirft Landrat Graichen falsches Spiel vor

Politische Auseinandersetzungen um die Zukunft der Muldentalkliniken nehmen Fahrt auf

Landkreis Leipzig/Brandis. Nach der Kreistagssitzung schlagen die Wogen hoch: Der Brandiser Bürgermeister Arno Jesse (SPD) redet in seiner Funktion als Aufsichtsrat der Muldentalkliniken jetzt Klartext und wirft Landrat Henry Graichen (CDU) falsches Spiel vor.

Brandiser Bürgermeister Arno Jesse (SPD) Foto: Andre Kempner/MTL-Picture/Andreas Gosa

Noch wenige Stunden vor der Kreistagssitzung sei man in Brandis mit Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) und Landrat Graichen zusammengekommen. Dabei habe man sehr positive Signale aus Dresden vernommen, was die Chancen für den Erhalt des Wurzener Krankenhauses betrifft. „Diese Chancen“, berichtet Jesse, „sollten vom Landrat in der Kreistagssitzung deutlich kommuniziert werden.“

Vorwurf: Graichen hält
sich nicht an Absprachen

Was nicht passierte. Stattdessen habe Graichen entgegen vorheriger Absprachen in der Parkarena Neukieritzsch nur erklärt, man werde die bis dato separaten Beschlüsse zu dem Sanierungskonzept und dem Zehn-Millionen-Euro-Darlehen zusammenfassen.

„Das aber ist nicht unsere Absicht gewesen. Wir wollten das Sanierungskonzept, das ein geschasster Geschäftsführer verfasst hat und das auf die Schließung des Wurzener Standortes als vollwertiges Krankenhauses hinausläuft, ganz kippen“, stellt Jesse klar. „Denn ein Konzept, das so einseitig und ohne ernsthafte vorherige Prüfung von echten Optionen nur auf Entlassungen, Kürzungen und Konzentration auf Grimma setzt, ist kein Entwicklungskonzept, sondern lediglich ein Abwicklungskonzept.“

Diesem Plan fehle jeglicher unternehmerischer Weitblick. Und er könne auch nicht Grundlage für eine neue Geschäftsführung sein, „die nicht wie eine Buchhalterin verwalten und einsparen, sondern die Muldentalkliniken zukunftssicher entwickeln muss“, findet der SPD-Mann.

Jesse: Vertragsverlängerung einsamer Entscheid von Landrat

Jesse verwahrt sich zudem gegen den Eindruck, dass der Aufsichtsrat die Dinge habe laufen lassen. „Der Aufsichtsrat kann nur das kontrollieren, was ihm von Geschäftsführung und Gesellschafter vorgelegt wird.“

Man hätte schon früher einen personellen Wechsel herbeiführen sollen – zu dieser Einschätzung kommt der Brandiser Stadtchef inzwischen. Der bisherige Klinik-Geschäftsführer Mike Schuffenhauer habe schon viel länger allein seine Agenda und nicht das Wohl der Krankenhäuser im Sinne gehabt.

„Die Verlängerung seines Geschäftsführervertrages im vergangenen Jahr war daher ganz sicher der größte Fehler überhaupt. Aber: Von dieser Verlängerung wusste der Aufsichtsrat nichts, auch nicht der Kreistag – es war die einsame Entscheidung des Gesellschafters, also des Landrats.“

Richtig hingegen sei die Aussage von Graichen, dass die Zuspitzung der Finanzlage tatsächlich erst mit dem desaströsen Ergebnis der Verhandlungen mit den Krankenkassen Anfang März eingetreten sei, so Jesse. „Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass dem Aufsichtsrat Ende des Jahres vom Geschäftsführer ein Wirtschaftsplan vorgelegt wurde, dem ich – wie auch noch einige andere Aufsichtsräte – nicht zugestimmt habe, weil dieser aus unserer Sicht viel zu optimistisch gerechnet war. Das Problem: Öffentlich durften wir auch darüber nicht sprechen.“

Wollte Schuffenhauer
Wurzen schwächen?

Ende 2022 sei die Situation dann im Aufsichtsrat eskaliert. Schuffenhauer habe auf der Basis eines Gefälligkeitsgutachtens den Standort Wurzen schwächen wollen. „Zum Glück gelang es, diesen Beschluss zu verhindern, weil wir darauf bestanden, dass eine so grundlegende Entscheidung in die Öffentlichkeit und in den Kreistag muss.“

Zu den weiteren Entwicklungen zählt der Brandiser Stadtchef „die unsägliche Agitation des Oberbürgermeisters Berger aus Grimma gegen Wurzen (einem Gesprächsangebot seines Kollegen aus Wurzen, geschweige denn einem gemeinsamen Vorgehen verweigert sich Berger bis heute), einen Aufsichtsratsbeschluss zum Erhalt der Pädiatrie und der Geburtshilfe in Wurzen, zu dem der Geschäftsführer noch in der Aufsichtsratssitzung gesagt hat, dass er das nicht umsetzen wird, folgerichtig dann der Beschluss zur Entlassung des Geschäftsführers – und dann die komplette Rolle rückwärts gegen alle Beschlüsse, Vereinbarungen und Versprechen“.

Jesses Fazit: Der Aufsichtsrat sei fahrlässig oder mutwillig nicht ausreichend oder rechtzeitig informiert worden. Dies ändere nichts daran, dass auch sein Wirken kritisch aufgearbeitet werden müsse.

Zustimmung zu neuer
Geschäftsführerin

Einziger Lichtblick sei aktuell die Abwendung der Insolvenz und die Entscheidung zur neuen Geschäftsführerin Julia Alexandra Schütte. „Ich war beim Auswahlverfahren mit dabei und kann bestätigen, dass Frau Schütte weiß, dass Sanierung nicht nur Wegstreichen von Personalstellen heißt, sondern im Gegenteil: investieren in Personal, in Menschen. Ich bin mir sicher, dass mit Frau Schütte ein neuer Geist, eine neue Kultur in das Unternehmen einfließen werden. Dies kann und muss dann die Basis eines Neustartes sein.“

Von Simone Prenzel

Quelle: LVZ vom 15.05.2023