Amerikas Aktivist der ersten Stunde geht in Rente

Eberhard Lüderitz etablierte in Wurzen die europäische Zentrale der World Resources Company

Von Haig Latchinian

Geht in den Ruhestand: Ex-Geschäftsführer Eberhard Lüderitz berät seine Kollegen fortan an zwei Tagen wöchentlich. Foto: Thomas Kube

Wurzen. Seine Frau sei um einiges jünger als er. Und weil sie weiter arbeite, wolle er nun weder den Hausmann noch den Gärtner mimen. Daher stehe er seinen Kollegen an zwei Tagen wöchentlich beratend zur Seite. Mit 71 Jahren wurde Eberhard Lüderitz als Geschäftsführer der World Resources Company (WRC) in den Ruhestand verabschiedet.

Lüderitz wünscht seinen Nachfolgern alles Gute: Robert Sorber verantwortet künftig Technik und Vertrieb, Michael Zimmer die Verwaltung und die Finanzen. Über 200 Mitarbeiter beschäftigt der amerikanische Konzern weltweit, in Wurzen sind es 77. WRC unterhält Büros in Paris, Birmingham, Basel, Bergamo, Barcelona und Istanbul – Wurzen ist europäische Zentrale.

Rückstände des metallverarbeitenden und oberflächenbeschichtenden Gewerbes gelangen nach Wurzen. Dort wird daraus künstliches Metallerz, das als Granulat an die Hüttenindustrie geht. In Zeiten knapper Ressourcen sei Wurzen gefragt wie nie: „Die Abfälle enden nicht als Sondermüll auf der Deponie, sie bleiben im Wirtschaftskreislauf“, betont Lüderitz.

1994 stieg der Mann aus Frankfurt am Main bei WRC ein. „Die Amerikaner wollten in Deutschland investieren. Nicht auf der grünen Wiese. Sondern in einer Bestandsimmobilie mit Gleisanschluss. Mein Job war es, den geeigneten Standort zu finden“, so der Ex-Chef. 1999 startete das Unternehmen im leerstehenden Teil des Motorenwerkes. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf persönlich machte sich für die Ansiedlung stark.

Fortan ging im Betrieb die diplomatische Prominenz ein und aus – ob Botschafter Philip D. Murphy oder die Herren Generalkonsul: Scott Riedmann, J. Patrick Truhn und Ken Toko. 2001, nach den Anschlägen auf die Türme in New York, wehten bei einer Trauerfeier im Wurzener Betrieb die Fahnen auf Halbmast. Lüderitz blickt auf bewegte Jahre zurück.

Amerikas Aktivist der ersten Stunde übergibt das Werk „Scheckheft-gepflegt“. Zuletzt wurde in eine neue Produktionshalle mit Zerkleinerungsanlage investiert. Kostenpunkt: vier Millionen Euro. Ruheständler Lüderitz, zweifacher Großvater, will sich künftig nicht nur um seine Modelleisenbahn und den amerikanischen Militärjeep kümmern – er engagiere sich auch weiter in Vereinen.

Zur Freude von Oberbürgermeister Marcel Buchta (parteilos), der voll des Lobes ist. Lüderitz gilt als Mitinitiator der noch immer aktiven Standortinitiative Wurzen – gegründet in Zeiten mit Arbeitslosenzahlen jenseits der 20 Prozent. „Wir wollten Akteure aus Industrie sowie Handwerk vernetzen und dem damals schlechten Ruf Wurzens als rechtsradikales Zentrum etwas entgegen setzen“, so Lüderitz. Im Netzwerk für Demokratische Kultur sitzt er nach wie vor im Beirat.

Da bleibe keine Zeit zum Sporttreiben, lacht der scheidende WRC-Geschäftsführer unter Verweis auf die etwas klapprig werdenden Knochen. Faul sei er deswegen nie gewesen: „In Grimma war ich aktiver Tennisspieler – so ist es ja nicht!“ Ob er demnächst zurück an den Main gehe? „Nein, ich bleibe im Muldental. Hier ist meine Heimat.“