„Unser Geld reicht keineswegs, um das Ringelnatzhaus zu betreiben“

Wurzen. Wurzens OBM Röglin im Interview über falsche Abrissspekulationen, Flüchtlinge und den Etat 2016  Im März will das Stadthaus mit vier Vorschlägen zur Grundschule „An der Sternwarte“ an die Öffentlichkeit gehen. Jedoch ist die marode Bildungsstätte nicht das einzige Bauvorhaben Wurzens im Jahr 2016.

Im Interview beantwortet Oberbürgermeister Jörg Röglin (parteilos) außerdem Fragen zu den Finanzen, zum Ringelnatz-Geburtshaus und den aktuellen Projekten im Wurzener Land.

2015 – ein gutes oder eher schlechtes Jahr für die Stadt Wurzen?

Ein sehr, sehr ereignisreiches Jahr – für die Stadt und für mich persönlich. Persönlich aufgrund der Wiederwahl zum Oberbürgermeister im Juni. Wahlkampf ist harte Arbeit, auch wenn das mancher Außenstehende vielleicht nicht so sieht. Für die Stadt allerdings galt als größte Herausforderung die Durchführung des Tages der Sachsen im September. Im Nachhinein betrachtet erhielten wir fast ausschließlich ein positives Feedback darauf. Wir sind mit der Verwaltung praktisch über uns hinausgewachsen. Deshalb an dieser Stelle meinen herzlichen Dank an die Mitarbeiter der Verwaltung, an die Helfer und Unterstützer. Sicher hätte das Wetter besser sein können, dafür zeigte sich Wurzen unterm Regenbogen. Wenig später holte uns – wie viele Kommunen Sachsens ebenso – die Flüchtlingsproblematik ein.

Wie ist da der Stand der Dinge?

Im Augenblick haben wir etwas mehr als 200 Flüchtlinge in Wurzen und den Ortsteilen. Ich bin stolz darauf, dass sich hier sehr viele Menschen ehrenamtlich in die Flüchtlingsarbeit einbringen. Alle Flüchtlinge sind dezentral untergebracht, wir haben keine Gemeinschaftsunterkünfte. Das soll, wenn es nach mir geht, auch so bleiben. Darüber hinaus wurden verschiedene Strukturen geschaffen. Eine Mitarbeiterin der Verwaltung kümmert sich um die Erstintegration. Die Sozialarbeiter des DRK-Kreisverbandes Muldental sowie ehrenamtliche Helfer sorgen letztlich dafür, dass die Flüchtlingssituation in Wurzen aus meiner Sicht zufriedenstellend ist.

Sie stecken derzeit gerade in der Haushaltsvorbereitung für 2016, müssen aufgrund eines Fehlbetrages im Ergebnishaushalt des Vorjahres von über drei Millionen Euro dem Landratsamt bis zum 30. Januar ein Haushaltsstruktur- und Personalentwicklungskonzept vorlegen. Wie ist es um die Finanzen Wurzens bestellt?

Die Finanzen sind 2015 genauso erfreulich gelaufen wie der Tag der Sachsen. Wir gehen stets sehr vorsichtig in die Etatplanung hinein. Dabei stellten wir fest, dass es aus finanzieller Hinsicht deutlich besser gelaufen ist, als erwartet. Die Gewerbesteuereinnahmen fielen positiv aus, und wir sind mit dem Geld, das die Verwaltung zur Verfügung hat, sparsamer umgegangen. Was Haushaltsplanung sowie die Haushaltskonsolidierung angeht, sind wir mittendrin. Noch bewegen wir uns auf der Verwaltungsebene. Erste Entwürfe liegen vor und danach sieht es so aus, dass wir unser strukturelles Defizit nahezu ausgeglichen haben. Wir sind demnach auf dem besten Wege. Dass die Etatplanung und das Haushaltsstrukturkonzept jetzt erst kommen, hängt damit zusammen, dass wir im Dezember unseren Beigeordneten Herrn Gerald Lehne an das Landratsamt verloren haben. Er widmet sich jetzt neuen Aufgaben als Beigeordneter des Landkreises, wodurch die Stelle in der Stadtverwaltung weggefallen ist.

Mit welchen Folgen?

Die Organisationsstruktur muss nochmals überdacht werden und zwar vor dem Hintergrund: Brauchen wir in Zukunft einen Beigeordneten? Wenn ja, in welcher Rolle. Dabei stehen wir am Anfang unserer Überlegungen, die ich zunächst mit den Stadträten diskutieren möchte.

Die Entscheidung, ob es einen Beigeordneten geben wird oder nicht fällt wann?

Im nächsten Vierteljahr!

Welche Investitionsprojekte sind für 2016 geplant?

Wir haben eine ganze Reihe großer Projekte vor uns. Zum Beispiel die Sanierung der Schuh- und Johannisgasse rund um das Areal „Goldene 13“. Es sind die letzten Straßen der Altstadt, die gemacht werden müssen – finanziert über die Ablösebeträgen der Grundstückseigentümer aus dem Sanierungsgebiet Altstadt. Insofern bleibt das Geld der Bürger vor Ort. Ein weiteres Vorhaben wird das multiple Haus im Ortsteil Sachsendorf sein. Dort haben wir eine umtriebige Dorfgemeinschaft und wollen ein Haus für verschiedene Funktionen errichten. Folglich sind wir mit der Feuerwehr im Gespräch und mit dem Sportverein, denken ebenfalls über eine teilweise wirtschaftliche Nutzung nach. Wo genau das multiple Haus umgesetzt wird, wissen wir

noch nicht. Eventuell auf der Freifläche, die durch den Abriss des alten Konsums entstanden ist, oder wir nutzen durch Sanierung die Immobilie Am Ring 33, den alten Kindergarten.

Und was passiert mit der Grundschule An der Sternwarte, die bekanntlich gravierende Baumängel aufweist?

Derzeit erarbeitet die Stadtverwaltung verschiedene Varianten. Insgesamt gibt es vier. Mehr will ich vorerst nicht verraten. Darunter sind einfache, denkbare Lösungen, wie ein Neubau an gleicher Stelle, bis hin zu vollkommen neuen Überlegungen. Alle Möglichkeiten sollen im Rat und mit der Bürgerschaft diskutiert werden. Dabei ist uns bewusst, dass es schwierig wird, weil die Interessenlagen recht unterschiedlich sind. Im Übrigen wurden seitens der Stadtverwaltung bezüglich der Neubau-Variante zwei Ingenieurbüros beauftragt, einen Entwurfsplan zu erstellen.

Mit dem das Stadthaus wann an die Öffentlichkeit geht?

Voraussichtlich findet die Bürgerversammlung Mitte, spätestens Ende März statt. Dabei möchten wir eine neue Kommunikationsart ausprobieren – in Form eines MesseMarktplatzes.

Und die Finanzierung?

Die Kosten der vier Varianten werden ganz unterschiedlich sein. Wenn es um einen Neubau geht, haben wir gute Chancen, dass die Kita in Kühren ihren ersten Platz bei den Bauvorhaben der vergangenen zwanzig Jahre verliert.

Ende 2015 machte das Ringelnatz-Geburtshaus und der Vorschlag eines Verkauf der Immobilie von sich reden. Will die Stadt das Objekt nun verkaufen oder denkt sie lediglich darüber nach?

Ich formuliere die Antwort auf ihre Frage mal so: Die Stadt ist nicht gewillt, das Haus nicht zu verkaufen. Sondern die Stadt ist gewillt, das Haus zu erhalten. Ich habe immer als denkwürdiges Beispiel das Geburtshaus von Theodor Uhlig ins Feld geführt. Es ist schlicht und ergreifend im Zusammenhang mit dem Stadtumbau Ost weggerissen worden, und nicht einmal eine Tafel erinnert an dieser Stelle daran. Genau das wollen wir vermeiden. Jetzt geht es darum, Optionen zu finden, das Ringelnatzhaus zu erhalten. Bisher sind wir mit den Ideen nicht wirklich zurande gekommen. Außerdem müssen wir angesichts der Haushaltskonsolidierung darüber nachdenken, wie viel Geld wir für was ausgeben können. Das Budget für den Kulturbetrieb beträgt eine Million Euro. Gewiss lässt sich der Etat umschichten. Er reicht aber keineswegs aus, um das Ringelnatzhaus zu betreiben.

Bei alledem muss schnell etwas passieren angesichts des maroden Zustands.

Sicher, die Situation wird nicht einfacher. Was für mich aktuell zählt: Es gibt nun eine gewisse Diskussion um das Objekt. Es gibt eine relativ überschaubare Anzahl an Wortmeldungen, und es gibt die eine oder andere konkrete Handhabe, wie mit der Immobilie in Zukunft umgegangen werden kann. Eine Anregung, über die ich mich wirklich gefreut habe, beinhaltete ein Schreiben der Hans-Fallada-Stiftung, deren Modell ich favorisiere. Die Stadt sorgt für die Sanierung und Ausgestaltung, ein Verein belebt das Haus. Fakt ist außerdem, wenn ein Verkauf zu Buche steht, bedeutet das noch lange nicht, dass das Objekt abgerissen wird. Was hierzu bislang öffentlich kolportiert wurde, ist so falsch, wie es nur falsch sein kann. Das Gebäude steht schließlich unter Denkmalschutz. Wenn sich jemand findet, der das Haus übernehmen will, ob Verein, Unternehmen oder Privatmann, dann bekommt er von der Stadt jedwede Hilfe. Wir sind im Förderprogramm drin, die Fördermittel da. Eines will ich aber nicht verschweigen: Noch haben wir eine Finanzierungslücke. Sie muss unbedingt geschlossen werden. Und ich bin mir sicher, wir schließen sie.

Thema Wurzener Land – die Allianz zwischen Wurzen, Bennewitz, Thallwitz und Lossatal. Wie weit ist das Projekt gediehen und was steht 2016 an?

Zunächst muss ich meine Bürgermeisterkollegen loben. Die Chemie zwischen uns stimmt und die Zusammenarbeit klappt reibungslos. Ein konkretes Projekt, auf das wir schauen, ist weiterhin die Verwaltungskooperation, in der die kommunalen Partner bestimmte Dinge gemeinsam erledigen wollen. Ich muss jedoch offen zugeben, dass wir in dieser Sache etwas ins Stocken geraten sind – zum einen durch die Vorbereitung für den Tag der Sachsen und zum anderen, weil der Fördermittelbescheid spät kam. Der Faden wird aber jetzt im Januar wieder aufgenommen.

Und die Vorbereitung zur Gründung der Wurzener Landwerke?

Hier sind wir einen großen Schritt vorangekommen. Insbesondere 2015 sammelte der Beirat, der aus Stadt- und Gemeinderäten besteht, jede Menge Erfahrungen bei den Besuchen in verschiedenen Kommunen. Diese lassen sich untereinander oft schwer vergleichen, aber ein Fazit kann bereits gezogen werden: Die Erfolgsaussichten solcherlei Projekte sind durchaus groß. Außerdem haben wir drei Kompetenzpartner im Blick. Mitte des Jahres soll die Entscheidung fallen, ob wir die Wurzener Landwerke gründen und mit wem oder nicht.

Interview: Kai-Uwe Brandt

Quelle: LVZ vom 19.01.2016

 

 

 

 

Oberbürgermeister Jörg Röglin (parteilos) im
Jahresinterview. Andreas Röse

 

 

Zur Grundschule An der Sternwarte soll 2016 eine Lösung her. Foto Kai-Uwe Brandt