Sprechstunde bei Haus-Arzt Pastille

47-jähriger Döbener rettet bundesweit baufällige Denkmale

Von Haig Latchinian
Grimma/Döben. Er gilt als Haus-Arzt und rettet nur die hoffnungslosen Fälle. Anders als der Chirurg muss Frank Pastille seine Hände nicht desinfizieren.

Er arbeitet auch nicht mit dem Skalpell, sondern zumeist mit Herz und Hammer. "Mit Herz und Hammer" – das ist auch der Titel der ZDF-Doku, die mutige Bauherren dabei begleitet, das oft steinalte Gemäuer auf Vordermann zu bringen. In einer der diesjährigen Staffeln war der 47-jährige Döbener Pastille zu erleben, der Denkmal-Doktor, wie er sich selber nennt, der die bereits für tot geglaubte Schlossmühle in Glauchau wachküsste.
Es ist nicht leicht, als Reporter einen Termin beim Haus-Arzt zu bekommen. Bleibt also nur die Sprechstunde spät abends bei Pastilles in Döben. Die Ehefrau sitzt mit den beiden Töchtern im ausgebauten Dachboden, Papa Pastille, sichtlich übermüdet, bittet den Journalisten ins ruhigere Kinderzimmer, bietet ihm den Stuhl an, legt sich selbst ins Bett und fängt an zu erzählen: "30 Häuser habe ich gerettet und 100 Wohnungen vermietet." Alte Häuser sind seine große Liebe. "Diese Denkmale können Geschichten erzählen. Sie sind Zeitzeugen der Historie eines Ortes." Pastille pflegt ein beinahe zärtliches Verhältnis zu den ihm anvertrauten Objekten, er mag Lehm, Stroh und Holzbalken, streichelt die historischen Baumaterialien wie andere das adrette Hinterteil des Angebeteten.
Pastille stammt aus Duisburg. Als angehender Bauingenieur wollte er damals eine Ruine in seiner Heimatstadt kaufen, fand aber keine bezahlbare. In der Kirchenzeitung las er zufällig eine Anzeige. Eine Nachbarin wollte ihr Elternhaus in Döben verkaufen. Der Student überlegte nicht lange, brach 1996 zum Abenteuerurlaub in den tiefsten Osten auf. Als er das uralte Fachwerkhaus sah, war es Liebe auf den ersten Blick. Nur einen Tag später rief er zu Hause an, um zu sagen, dass er nicht mehr zurück kommt. Er kaufte das Haus, baute es aus, lernte seine heutige Frau kennen und gründete eine Familie.
Der Mann, der das Russen-Magazin in Grimma teilsanierte, muss sich nicht mehr täglich die Hände schmutzig machen. Als gefragter Haus-Arzt trat er im ARD-Ratgeber Bauen + Wohnen auf, stand in Außenseiter-Spitzenreiter mit Hans-Joachim Wolfram vor der Kamera. Erst kürzlich widmete die Zeitschrift "Landlust" dem umtriebigen Denkmal-Doktor einen großen Beitrag.
Seitdem ist er in ganz Deutschland unterwegs, gibt Häuslebauern zwischen Ostsee und Alpen nützliche Tipps, wie sie mit wenig Geld sanieren können. "Ich vermittle zwischen Bauherren und Behörden – will Vorurteile gegenüber dem Denkmalschutz abbauen helfen." Die Schlossmühle in Glauchau soll schon nächstes Jahr bezugsfertig sein, verspricht der Haus-Arzt und macht sich in seinem Bett ganz lang. Nach hartem Arbeitstag ist er todmüde. Immerhin, der Reporter konnte ihn mit Fragen eine ganze Stunde wach halten. Dass ihm im Bett liegend fremde Leute relativ nahe kommen, ist für Pastille kein Problem: "Als ich die Schlossmühle in Glauchau sanierte, musste ich dort auch übernachten. Täglich schauten mir 30 Besucher über die Schulter, selbst frühmorgens, ich lag noch im Bett, stand schon eine Neugierige an meinem Fußende."

 

Quelle. LVZ vom 29.11.2014

 

Frank Pastille ist seit 2005 Mitglied in der Standortinitiative Wurzen e.V.

Gerettet: Frank Pastille saniert das barocke Wohnhaus der einstigen Schlossmühle in Glauchau. Foto: Haig Latchinian