IHK-Fachkräftemonitor Sachsen: Neues Prognosetool für die regionale Wirtschaft

05.11.2014

Im Jahr 2020 fehlen sachsenweit 99 000 und in der Region Leipzig 11 000 Fachkräfte +++ Demografischer Wandel als Treiber +++ Heute fehlen Techniker, morgen auch Kaufleute+++

Leipzig, 5. November 2014 – Über Fachkräfteengpässe wird viel diskutiert. Um dabei belastbare Zahlen vorhalten zu können, erarbeitete das Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig den Fachkräftemonitor Sachsen – eine webbasierte Anwendung, die die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Prognose zur Fachkräftesituation in der Region Leipzig und für den Freistaat bis zum Jahr 2020 visualisiert. Er ist ab sofort unter www.fachkraeftemonitor-sachsen.de frei zugänglich.

„Das Qualifikationsniveau einer Region beeinflusst deren verfügbares Fachkräftepotenzial. Eine langfristige Fachkräftesicherung kann deshalb nur mittels einer zielgerichteten Aus- und Weiterbildungspraxis gelingen. Diese muss sich nach den Anforderungen des Arbeitsmarktes richten. Um hier den verschiedenen Zielgruppen Orientierung zu geben, wurde das Onlineportal entwickelt“, erklärt Dr. Thomas Hofmann, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Leipzig. „Der Fachkräftemonitor ist Informationsbasis für sächsische Unternehmen bei ihrer strategischen Ausbildungsplanung und Personalentwicklung, für Jugendliche bei der Berufswahl, für Bildungseinrichtungen bei ihrer Angebotsplanung sowie für die Politik zur Gestaltung der Rahmenbedingungen. Empfehlungen an diese Akteure können nun mit fundierten Zahlen untermauert werden.“

Dr. Dennis A. Ostwald, Geschäftsführer des Wirtschaftsforschungsinstituts WifOR: „Im Gegensatz zu vielen anderen Prognosetools betrachtet der IHK-Fachkräftemonitor sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite des Arbeitsmarktes. Er bietet die Möglichkeit, Fachkräfteengpässe und -überschüsse berufsgruppengenau bis zum Jahr 2020 auszuweisen, so dass das Arbeitskräftepotenzial der Zukunft für Sachsen sowie den IHK-Bezirk Leipzig realistisch eingeschätzt und rechtzeitig entsprechend reagiert werden kann.“

Ausgewählte Ergebnisse
Engpass 2014: Es fehlen Fachkräfte mit beruflicher Ausbildung:
Insgesamt stehen in Sachsen im Jahr 2014 rund 63.000 Fachkräfte zu wenig zur Verfügung. Neben rund 6.000 Akademikern fehlen rund 57.000 beruflich Qualifizierte (36.000 im technischen und 21.000 im kaufmännischen Bereich).

Prognose 2020: Demografischer Wandel reduziert das Angebotspotenzial:
Das Angebot an Fachkräften in Sachsen wird von derzeit 1.265.000 auf 1.170.000 Personen im Jahr 2020 sinken, was einem Rückgang von 8 % entspricht. Der prognostizierte Engpass im Jahr 2020 beträgt 99.000 Fachkräfte.

Beruflich Qualifizierte: Heute fehlen vorwiegend Techniker, morgen auch Kaufleute:
Die erhöhte Ausbildungsneigung zu technischen Berufen sowie zahlreiche aus dem Berufsleben ausscheidende Kaufleute, die demografiebedingt nicht durch junge Fachkräfte ersetzt werden können, führen zu einer Umkehrung der Verhältnisse: Im Jahr 2020 werden ca. 50.000 beruflich Qualifizierte im kaufmännischen Bereich (2014: 21.000) und ca. 21.000 im technischen Bereich (2014: 36.000) fehlen.

Akademisch Qualifizierte – Fachkräfteengpass bis zum Jahr 2020 konstant:
Bei den Akademikern bleiben in Sachsen im Jahr 2014 etwa 9,5 % aller Stellen unbesetzt – darunter ca. 1.900 fehlende Wirtschaftswissenschaftler (14,1 % der Stellen) sowie etwa 900 fehlende Elektroingenieure (13 % der Stellen). In den kommenden Jahren wird das Akademikerangebot etwa in gleichem Maße wie die Nachfrage steigen.

Top-Engpassberufsgruppen 2020 in Sachsen:

  • Mechatronik und Automatisierungstechnik (höhere Qualifikation[1]): 29,1 % der Stellen können nicht besetzt werden
  • Rohstoffgewinnung und -aufbereitung, Glas- und Keramikherstellung und -verarbeitung (höhere Qualifikation): 28,2 %
  • Technische Forschungs-, Entwicklungs-, Konstruktions- und Produktionssteuerungsberufe (höhere Qualifikation): 28,0 % 

Fachkräftesituation im IHK-Bezirk Leipzig: Potenzial entwickelt sich rückläufig:
Insgesamt stehen der Wirtschaft in der IHK-Region zu Leipzig im Jahr 2014 rund 320.000 Fachkräfte zur Verfügung. Bis 2020 nimmt das Fachkräftepotenzial um rund 7 % ab. Aktuell fehlen der Leipziger Wirtschaft etwa 2.000 Fachkräfte (0,6 % unbesetzte Stellen). Bis in das Jahr 2020 wird der Engpass auf 11.000 Fachkräfte ansteigen. Der Engpass fällt in den einzelnen Berufsgruppen und Qualifizierungsgraden sehr unterschiedlich aus und kann deutlich vom Durchschnitt abweichen.

Top-Engpassberufsgruppen 2020 im IHK-Bezirk Leipzig:

  • Technische Forschungs-, Entwicklungs-, Konstruktions- und Produktionssteuerungsberufe (höhere Qualifikation): 29,0 % der Stellen können nicht besetzt werden
  • Maschinenbau- und Betriebstechnik (höhere Qualifikation): 26,9 %
  • Rohstoffgewinnung und -aufbereitung, Glas- und Keramikherstellung und -verarbeitung (höhere Qualifikation): 26,0 %

Schlussfolgerungen

Ausbildungs- und Studienabbrüche reduzieren! Auf die Bildung und Qualifizierung der Jugend ist verstärkt Augenmerk zu legen. Eine unternehmensnahe Berufs- und Studienorientierung gehört zwingend und verbindlich in die Lehrpläne der sächsischen allgemeinbildenden Oberschulen und Gymnasien. Die IHK zu Leipzig leistet ihren Beitrag mit der Initiative „Unternehmen machen Schule“.

Personalentwicklung strategisch planen – Fachkräftemonitor als Orientierungshilfe nutzen! Passive Personalarbeit sollte durch aktives Management zukünftiger Fachkräftebedarfe abgelöst werden. Durch das Sichtbarmachen qualifikatorischer Engpässe im Fachkräftemonitor kann der Unternehmer seine Planungen im Kontext der Entwicklungen von Branche, Region sowie benötigter Qualifikationen neu bewerten und Ausbildungs- und Qualifizierungsentscheidungen effizienter gestalten sowie strategisch ausrichten.

Rahmenbedingungen für Fachkräftezuwanderung weiter verbessern: Für eine reibungslose Integration ausländischer Fachkräfte im Arbeitsmarkt brauchen zuständige Behörden wie Botschaften, Ausländerbehörden oder Arbeitsagenturen das notwendige Know-how. Für Hemmnisse, zum Beispiel bei der Genehmigung von Aufenthaltstiteln für Fachkräfte aus Drittstaaten, müssen pragmatische und unbürokratische Lösungen gefunden werden.

[1] Im Fachkräftemonitor werden die beruflichen Qualifikationen in „mittel“ (entspricht zum Beispiel der Dualen Berufsausbildung) und „höher“ (entspricht zum Beispiel Abschlüssen der Aufstiegsfortbildung) unterschieden.

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