Wurzen empfängt Tillich

Ministerpräsident besucht auf seiner Landkreistour auch die Filzfabrik
Wurzen. Die letzten beiden Etappen seiner Landkreistour absolvierte Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in Wurzen. Zunächst besuchte er am Donnerstagnachmittag die Filzfabrik Wurzen GmbH, um im Anschluss gegen 18 Uhr vor geladenen Gästen zum Thema "Wirtschaft im ländlichen Raum" zu sprechen.

Die Regionalkonferenz der Christdemokraten fand in der Werkshalle der Hoffmann Fördertechnik GmbH an der Dresdener Straße statt. "Filzfabrik? Da habe ich zuerst an Hüte gedacht", sagte Tillich allen Ernstes bei seinem Besuch in besagter Wurzener Produktionsstätte. Doch vom Firmeninhaber Joachim Brand und dem Geschäftsführer Helmut Lachmann ist dem Landesvater ein Traditionsbetrieb vorgestellt worden, der es mit Nischenprodukten zum Weltmarktführer geschafft hat. Damit hatten Tillich auf seiner Reise durch den Landkreis sowie seine Begleiter, Dietrich Gökelmann als Präsident der Landesdirektion Sachsen, Landrat Gerhard Gey (CDU) und Oberbürgermeister Jörg Röglin (parteilos), einen für alle spür- und sichtbar angenehmen Termin wahrgenommen, denn in der Filzfabrik scheint die Wirtschaftswelt noch in Ordnung. Immerhin hat der Betrieb nach eigenen Angaben einen Marktanteil von 50 Prozent besonders mit Klavierfilzen, die in Form von kleinen Hammerkopf-Oberfilzen für alle namhaften Hersteller von Tasteninstrumenten am Standort Wurzen produziert werden. "Historisch gesehen haben wir hier tatsächlich die älteste Woll-Filzfabrik der Welt mit einer einzigartigen Herstellungsmethode", ließ der Firmeninhaber stolz wissen. "Das ist der Hammer", scherzte Tillich, erfuhr aber auch, dass dieser Betrieb darüber hinaus in seiner Produktpalette breit aufgestellt ist. "Es gibt keinen Industriezweig, der ohne Filze auskommt und auch von uns beliefert wird", sagte Brand. Dafür ist der Standort Wurzen im Jahr 1861 gegründet worden. Aber mit ersten Versuchen zur Filzproduktion hatte man bereits 1847 begonnen, was den Klavierfilz betrifft. Und zwar in Leipzig, denn dort liegen die Wurzeln der Filzfabrik, die im Jahre 1783 von der Firma Weickert gegründet worden war. Zu DDR-Zeiten verstaatlicht, kam der Betrieb 1990 unter Treuhandverwaltung. Ein Jahr später hat ihn die Familie Brand im Einvernehmen mit den Weickert-Erben erworben. "Investitionen in Größenordnungen waren nötig, um wettbewerbsfähig zu werden. Damals haben wir mit etwa 30 Mitarbeitern begonnen", blickte Brand zurück. Heute, so ergänzte Lachmann, "sind bei uns 150 Menschen im Zwei- und Dreischichtbetrieb beschäftigt." Nach dem Erfolg gefragt, erfuhr Tillich vom Firmeninhaber, "dass es ein großes Glück war, mit einem Traditionsbetrieb zur alten Stärke zurückzufinden." Landrat Gey kennt den Betrieb noch aus DDR-Zeiten. "Wenn ich nur an die schlechte Bausubstanz denke, und was heute daraus geworden ist – beachtlich." Dabei sei man mit der Sanierung noch lange nicht am Ende. "Das Geld dafür will verdient sein. Aber weil uns nicht nur die Produktion am Herzen liegt, sondern auch die Produktionsstätte, können wir nun mehr auf die Fassade des Betriebes eingehen", gab Brand Einblicke in die Pläne. Nicht zu vergessen die Mitarbeiter. "Von ihnen haben Sie, Herr Brand, bei unserem Rundgang immer wieder gesprochen. Damit drücken Sie deren Wertschätzung aus, was einen guten Mittelständler ausmacht", sagte Tillich. Brand seinerseits erinnerte daran, dass es nach der Wende erfahrenen Mitarbeitern zu verdanken gewesen sei, die mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten zur Herstellung von Hammerkopffilzen den Grundstein für den heutigen Erfolg gelegt hätten. "Das verdient Respekt und Wertschätzung – und da wiederhole ich mich gerne", sagte Brand.
"Ich habe auf meinen Kreis-Reisen Unternehmen kennengelernt, die sind einzigartig", verkündete Tillich nur wenig später den 150 geladenen Besuchern zur Regionalkonferenz bei Gastgeber Matthias Hühn in der Dresdener Straße 64. Sie warteten in der Werkhalle der Hoffmann Fördertechnik GmbH gespannt auf das, was ihnen der Regierungschef über die Wirtschaft im ländlichen Raum zu sagen hatte. Doch zuvor begrüßte erst einmal Geschäftsführer Hühn den Landesvater, um sogleich den Staffelstab an die Diesterweg-Spatzen, dem Chor der Diesterweg-Grundschule, weiterzureichen. Die Mädchen und Jungen trällerten von der Bühne "An Tagen wie diesen " (Die Toten Hosen) und beendeten ihr Repertoire mit dem Tabaluga-Song "Ich wollte nie erwachsen sein". Die Sangeskunst belohnte Hühn mit einem Eis für die Kleinen. Den Schlussakkord setzte jedoch ein Podiumsgespräch mit Tillich, Hühn und den Landtagsabgeordneten Hannelore Dietzschold sowie Georg-Ludwig von Breitenbuch, das der CDU-Fraktionschef im Stadtrat, Matthias Rieder, moderierte.

Von Frank Schmidt und Kai-Uwe Brandt

LVZ vom 07.06.2014 Seite 30

 

Einblick in die Filzproduktion: Simone Jonack (2.v.r.) im Gespräch mit
Joachim Brand, Stanislaw Tillich, Hannelore Dietzschold und Gerhard Gey (v.l.). Foto: Frank Schmidt