Wurzener Gießerei trotzt hohen Stromkosten und dreisten Einbrechern

Von Haig Latchinian

Wurzen.

Energiewende ist in der Gießerei Wurzen spätestens seit 2002. Damals hatte der Traditionsbetrieb an der B6 seinen Ofen von Koks auf Strom umgestellt. Die Innovation gilt auch aus heutiger Sicht als sinnvoll – ökonomisch wie ökologisch. Und doch sind die Schmelzer verunsichert. Innerhalb weniger Jahre hätten sich die Strompreise beinahe verdreifacht.

„Die wirtschaftliche Lage ist angespannt“, bemüht sich Werkleiter Marco Bauch um eine diplomatische Tonlage. Er will jeden Eindruck vermeiden, als Jammerossi dazustehen. Dabei ist seine Branche von den, wie er sagt, katastrophalen Energiekosten besonders betroffen: „Vor allem, wenn die Netzentgelte gleich bleiben und sich Stromsparen gar nicht lohnt.“

Je mehr Strom er spare, desto höher sei der Anteil der Netznutzungskosten. Somit verteuere sich die Kilowattstunde, obwohl er eigentlich effizienter arbeite: „Ein Irrsinn!“ Was hätten seine Wurzener nicht alles unternommen? Sie setzten auf LED und lastabhängige Kompressoren, vermieden Wärmeverluste. „Wir wären heute klimaneutral, wenn wir 100 Prozent grünen Strom beziehen könnten.“

Temperaturen bis 1400 Grad Celsius

Bei größter Sommerhitze steht Matthias Rottluff in der Fabrikhalle und gießt Eisen in Formen. Die glutrote Schmelze ist 1400 Grad heiß, heißer als Lava. Vor den Temperaturen schützt sich der Mann in der Produktion mit feuerfestem Aluminiummantel und goldbedampftem Visier. Auch die Belegschaft sei abgeschmolzen – von 30 auf jetzt 25 Beschäftigte, erläutert der Werkleiter.

Nein, von versprochenen Erleichterungen für die energieintensive Industrie sei bei ihm noch nichts angekommen. Und doch sei längst nicht alles schlecht. Die 100-Tage-Bilanz von Kanzler Friedrich Merz (CDU) sei für ihn mit einer besseren Auftragslage verbunden, sagt Marco Bauch: „Während es unter der Vorgängerregierung allgemein bergab ging, zieht die Wirtschaft mittlerweile leicht an.“

Dabei begann der Start in die neue Saison für die Gießerei alles andere als optimal: „Vom 21. Juli bis 8. August hatten wir Betriebsurlaub. Wie immer gab es in dieser Zeit routinemäßige Wartungsarbeiten an unseren Kränen, Schaltanlagen und Formstoffmischern“, sagt der Chef. Was er dabei nicht unterschlägt: „Während unserer Abwesenheit gab es einen Einbruch im Bereich des Modellbaus.“

Polizei sichert die Spuren der Einbrecher

Vermutlich seien die unbekannten Täter übers Dach eingestiegen. Eine Fensterscheibe fehlt komplett, Werkzeug wurde gestohlen. Zum Glück habe sich der Schaden in Grenzen gehalten, heißt es. Die Polizei sicherte Fußspuren und Fingerabdrücke. Kleinere Beutezüge habe es immer schon gegeben. Mal wurde Kupfer gestohlen, mal ein Akkuschrauber. Tendenziell aber, so die Werkleitung, sei die Kleinkriminalität eher rückläufig.

Ärgerlich sei der Zwischenfall allemal. Er sei Anlass, die Sicherheitskonzepte noch einmal zu überprüfen, sagt Marco Bauch, dessen Betrieb zuletzt sogar eine von vielen Stationen des diesjährigen Ringelnatzsommers war. In der Gießerei gab es eine Führung und ein kleines Konzert. Dabei verschmelzen in der Wurzener Gießerei bereits seit 1879 Handwerk und Kunst zu einer Einheit.

Viele Städte und Gemeinden stünden vor der Herausforderung, historische Gusselemente im öffentlichen Raum zu sanieren oder zu ersetzen – Geländer, Brunnen, Lampen, für die es keine Originalzeichnungen oder Gussform mehr gibt. Genau hier kommen die Wurzener ins Spiel: Mit moderner 3D-Technik und CAD-Modellierung reproduzieren sie die Teile detailgetreu.

Wurzener mit gut gefüllten Auftragsbüchern

Aktuell stattet die Gießerei fünf Meter große Laternen auf einem Platz in München mit kunstvollen Füßen aus. Auf dem Löbauer Bahnhof sorgt der Betrieb für gusseiserne Säulen. Eine Firma in Hamburg bekommt Prototypen für Gabelstapler. Außerdem kooperiert die Gießerei mit Forschungseinrichtungen.

Ob es Bauteile für Bahn, Auto oder Brücken seien – ohne Guss gehe auch künftig nichts, sind sich die Wurzen sicher. „Die Frage ist nur, ob die Arbeiten weiter aus Deutschland kommen oder doch aus China, Indien, Pakistan“, resümiert Marco Bauch. Um dem heimischen Gießereisterben gegenzusteuern, hat er konkrete Forderungen an die Politik: „Wir brauchen eine Entlastung bei den Sozialbeiträgen und wettbewerbsfähige Energiepreise.“

Bauch begrüßt die Ankündigungen der deutschen Politik, steuerliche Anreize für Investitionen setzen zu wollen – verbunden mit einem geringeren Zinsniveau. Ob er auch von der boomenden Rüstungsindustrie profitiere? „Im Moment ist das kein Thema für uns. Die Frage ist ja, ob wir das überhaupt wollen.“

Wegen der stark gestiegenen Energiepreise steht die Branche massiv unter Druck. Einige Firmen mussten bereits aufgeben. Das Werk in Wurzen stemmt sich gegen diesen Trend.

Quelle: LVZ vom 15.08.2025